#1 Der Moment, in dem du merkst, es geht plötzlich um etwas ganz anderes
Willkommen, zu „My typical Working Day @ siticom“, eine Blog-Serie von und mit mir Amelie Weber, in der ich in jeder Folge eine Kollegin oder einen Kollegen aus den unterschiedlichsten Bereichen der siticom, über ihren typischen Arbeitsalltag interviewe. Es geht z.B. um beruflichen Background, Zuständigkeiten, Meinung zu Home-Office. Manchmal jedoch, so wie heute, kommt dieser Moment, wo du merkst, es geht plötzlich um etwas ganz anderes als ursprünglich geplant – Frauen in der IT.
Für meinen allerersten Beitrag zu dieser Serie habe ich heute meine Kollegin Tanja Lintner, QGIS Developer bei der siticom, zu Gast.
A: Hallo Tanja, so erzähl doch mal, ich kann mir echt gar nicht vorstellen, was du eigentlich bei uns machst. Ich weiß nur, dass du seit Anfang des Jahres bei uns bist.
T: Ja so ganz weiß ich noch nicht was ich mache. [lacht] Ich bin Tanja Lintner, habe Geografie studiert, dann noch eine Ausbildung als Tourismuskauffrau gemacht. Auf Umwegen habe ich dann den Job zum Mitbewerber gefunden und dort war ich im Prinzip „Mädchen für alles“. Ich war Back-Office-Kraft für Bau und hab meine Bauleiter unterstützt, war als Planerin tätig, hab mich dann als Projektmanagerin weitergebildet. Nebenher habe ich auch noch ein bisschen Buchhaltung mitgemacht.
A: Ach, das klingt ja spannend.
T: Ich bin seit Anfang des Jahres bei der siticom und unterstütze zunächst einmal die buchhalterischen Telekom-Aufgaben einer Kollegin, die jetzt gerade ein Auslandssemester macht, übernommen. Gleichzeitig bin ich auch für weitere Kunden mit tätig, sowohl in der Planung als auch in der Strukturgebung. Wir sind gerade dabei von AutoCAD auf QGIS* umzusteigen, das ist zum einen immer wieder herausfordernd und zum anderen eben auch wahnsinnig spannend.
A: Das ist ja doch eigentlich recht viel, was du machst. Wie sieht denn so dein typischer Arbeitsalltag aus?
T: Der typische Arbeitsalltag fängt immer so um plus/minus 6:00 Uhr an.
A: Oh wow, gleich so früh?
T: Ja, dann habe ich früher Feierabend. [lacht] Als erstes schaue ich mir alle neuen Telekom-Aufträge, die reinkamen an und spule die dann in unser System herüber. Neben den üblichen Mails und Kleinigkeiten, bearbeite ich dann hauptsächlich unser Telekom-Projekt, z.B. Aufmaße in unserem System einpflegen, etc. Wenn ich das gemacht habe, kann ich auch für die Buchhaltung die Rechnungen mit erstellen und die Planungstätigkeiten für andere Kunden koordinieren, Leitungsauskünfte einholen, also die ganz normalen Planungstätigkeiten halt. Und ich bin tatsächlich auch zu 100% im Home-Office. Ich wohne in Würzburg und da ist der nächste geographisch gesehene Standort Weiterstadt. Da bin ich, wenn es gut läuft, mit Bus und Bahn 2 ½ Std unterwegs.
A: Okay, das ist schon echt weit. Was sind denn für dich die Vorteile im Home-Office zu arbeiten? Abgesehen von dem langen Arbeitsweg, den du hättest?
T: Die sind so vielfältig. Zum einen das ungestörte Arbeiten. Ich kann einfach für eine halbe Stunde mein Telefon auf stumm schalten und meine Arbeit erledigen, ohne dabei gestört zu werden. Dann persönlich: Ich habe zwei Katzen und das ist für mich einfach wahnsinnig lebensbereichernd, wenn dann plötzlich jemand kommt und kurz deine Aufmerksamkeit und gestreichelt werden will. Das lässt mich auch noch einmal kurz abschalten und an etwas anderes denken. Und dann eben auch perspektivisch: Ich heirate jetzt in zwei Wochen und in den nächsten 2 bis 3 Jahren wird auch die Familienplanung bzgl. Kinder gestartet. Homeoffice und flexible Arbeitszeiten waren für mich ein Grund zur siticom zu wechseln. Ich habe nun meine Work-Life-Balance noch besser unter Kontrolle und habe die Möglichkeit, das Familienleben, was irgendwann ansteht, besser zu organisieren. Gerade wenn man als Frau in der IT-Branche tätig ist [lacht].
A: Ich denke vor allem der Punkt Kinder oder allgemein Familie ist bei uns mit der Work-Life-Balance gut abzudecken. Siehst du auch irgendwelche Nachteile von Home-Office?
T: Ich glaube, dass nicht jede Person für das Home-Office geeignet ist, weil eben der soziale Kontakt zu Kollegen dann maximal, wie bei uns beiden, übers Telefon oder über Webcam stattfindet. Da fehlt bei vielen Leuten dann dieses zwischenmenschliche. Man trifft sich kurz in der Kaffee-Küche und redet auch über persönlichere Themen.
A: Du hast eben gerade kurz angeschnitten, als Frau in der IT-Branche zu arbeiten. Der Männeranteil in der IT-Branche ist ja bekanntlich höher. Woran glaubst du liegt das in deinen Augen?
T: Die traditionelle Sichtweise ist ja eher, die Frau geht in die soziale bzw. interaktive Richtung, während der Mann vor dem Laptop sitzt und programmiert. Das Hauptproblem, welches die meisten Frauen evtl. sehen ist: „Du musst dranbleiben.“ Ich merke das jetzt auch mit QGIS, wenn du da mal wirklich draußen bist, dann bist du draußen. Du musst immer up-to-date bleiben und schauen, was gerade anfällt, z.B. bei SQL (Structured Query Language). SQL ist wie Englisch eine Sprache, wenn du die ein paar Jahre nicht sprichst, dann ist es sehr schwierig da wieder reinzukommen. Ich glaube aber mittlererweile wechselt das ganz stark, immer mehr Frauen rutschen in die IT-Branche rein. Allein durch das Umdenken in der Gesellschaft, dass Männer auch in Elternzeit gehen können und es auch die Möglichkeit mit Home-Office gibt. Dadurch können sich viele Frauen vorstellen, so einen Beruf auszuüben, ohne Angst haben zu müssen, dass sie dann nach 2 Jahren Elternzeit raus sind.
A: Könntest du den Frauen da draußen, die sich nicht trauen in der IT-Branche anzufangen, etwas mitgeben? Die vielleicht z.B. Angst haben unschöne Kommentare abzubekommen oder vielleicht ungerecht behandelt zu werden.
T: Ich glaube ich kann das nicht positiv formulieren, was mir gerade im Kopf rumgeht. Da bin ich halt leider auch durch meine bisherigen Erfahrungen ein gebranntes Kind. Das Einzige was ich sagen könnte wäre „Nimm dir das nicht zu Herzen, weil du weißt, wie gut du bist!“
A: Einerseits ein wirklich schönes Zitat…
T: …aber es hört sich so unbefriedigend an! [lacht]
A: Ich kenn das auch, ich habe teilweise selbst früher auch einige unschöne Kommentare abbekommen. Das war nicht einfach, gerade am Anfang. Man ist noch jung, wird dadurch verunsichert und traut sich auch nicht was dagegen zu sagen. Aber man lernt mit der Zeit damit umzugehen und vielleicht doch auch mal den Mund aufzumachen.
T: Ja genau das ist es. Ich glaube man darf keine Angst davor haben. Ich glaube es gibt nicht DEN perfekten Job, egal ob für Frau oder Mann. Wenn ich Kindergärtnerin bin, dann heißt es „Ja klar die spielt ja den ganzen Tag nur mit Kindern, das ist ja null Verantwortung“. Wenn ich Lehrerin bin „Ahja, die hat ja nur Urlaub. Die macht nur ihren Unterricht und das war‘s dann.“ Als Frau in der IT habe ich in der Ausbildung einmal zu hören bekommen: „Ich hätte lieber gerne den Herrn XY gesprochen. Sowas mach ich generell nur mit Herren.“
A: Wie bist du damit umgegangen?
T: Durchgestellt und A****loch gedacht. [lacht]
A: Das ist die richtige Einstellung. [lacht]
T: Ich kann mir halt jetzt nicht auf die Schnelle einen Penis wachsen lassen. Ich muss zeigen, dass ich es Wert bin. Also das WAS ich kann, dass ICH etwas kann, und dass ich es auch nicht jedem beweisen muss. Manchmal habe ich so das Gefühl, Männer machen das, weil sie sich selbst bedroht fühlen, im Sinne von zusätzlicher Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt. Ich glaube aber auch das machen nur die, die sich selbst unsicher sind.
A: Da gebe ich dir zu 100% recht!
T: Ich stehe mittlerweile aber darüber. Ich weiß was ich kann, ich weiß wer ich bin. Im Job ist es zwar wichtig, dass ich Anschluss finde und ich möchte auch keine Kunde verprellen, aber schlussendlich ist es nur ein Job.
A: Es heißt ja auch: „Man arbeitet, um zu leben und nicht man lebt, um zu arbeiten.“
T: Eben. Und deswegen, solange ich in meinem privaten Umfeld glücklich bin, halte ich es auch aus, dass es solche Menschen gibt. [lacht]
A: Aber das ist ja zum Glück bei uns nicht so. Oder jedenfalls nicht bekannt. Ich habe jedenfalls noch nichts mitbekommen. [lacht]
T: Trotzdem habe ich immer noch ein ungutes Bauchgefühl. Beispielsweise hatte ich eine kleine Diskussion mit einem Kollegen, bei der ich mir in dem Augenblick gedacht habe, ob er mich auch wirklich ernst nimmt, weil ich jünger bin, eine Frau bin und weniger Berufserfahrung habe. Wir haben das im Anschluss geklärt und es hat sich herausgestellt, dass es einfach ein Missverständnis war und ich es mir dadurch, dass ich ein gebranntes Kind bin, einfach eingebildet habe. Ich glaube, das geht aber den meisten Frauen so. Das ist vergleichbar mit der Situation, wenn ein Mann an einem vorbei geht und einfach ein höfliches „Hey, du siehst aber heute gut aus“ zu einem sagt. Ohne Hintergedanken. Da hat man meistens auch gleich diese Ausrufezeichen im Kopf „Ahh Hilfe, lass mich in Ruhe!“.
A: Ja ich kenn das auch. Ich habe manchmal auch das Gefühl, dass sich vielleicht Kollegen denken „Jaja, lassen wir sie mal reden“, nehmen mich nicht ernst, obwohl es eigentlich gar nicht so ist. [lacht]
T: Ja genau [lacht]. Kenne ich. Und ja genau deswegen glaube ich, der beste Rat an Frauen ist da einfach: Durchhalten. Und A****loch denken. Für mich persönlich ist dieser Spruch wichtig: „Change it, love it, leave it“ - Wenn du es nicht ändern kannst und es nicht liebst dann geh. Nur weil ich jetzt diesen Job habe, heißt das nicht, dass ich da für immer sein muss.
A: Ja, das ist auch richtig so! Wie du schon gesagt hast, es ist NUR EIN JOB. Dann Danke liebe Tanja für deine Zeit und dieses Gespräch. Hat mich sehr gefreut.
*QGIS ist eine freie Geoinformationssystemssoftware zum Betrachten, Bearbeiten, Erfassen und Analysieren räumlicher Daten. Es ist ein benutzerfreundliches Open-Source geographisches Informationssystem (GIS), das unter der GNU General-Public-License steht. Mit Hilfe QGIS können Roh-Bilder zu Karten umgewandelt werden, in der beispielsweise geplante Glasfaser-Trassen abgebildet werden.
Das Interview führte:
Amelie Weber
Marketing Manager, siticom GmbH